Verstehen Sie Bahn - Lautsprecher, die man hören kann
Mit der Deutschen Bahn fahren, heißt alle Hektik fahren lassen. Nirgends sonst lernt man so beiläufig
Gelassenheit in aller Eile. Ob Getriebeschaden, Triebkopfschaden oder umtriebige Kinder auf den Gleisen
- nie waren die Ausreden für Verspätungen so originell wie heute. Dass der Reisende überrascht wird, wenn
er doch mal dort ankommt, wo er hinmöchte, dazu tragen auch die Lautsprecheransagen auf Bahnhöfen bei. Sie
übertragen sonores Rauschen und Knarzlaute, aus denen nur BND-Abhörspezialisten Wortfetzen wie "heute in
umgekehrter Wagenreihung", oder "70 Minuten Verspätung" herausfiltern können. Ganz schlimm ist Karlsruhe.
Und Pasing! Und Frankfurt! Liebe Bahn, Raumsonden fliegen zum Mars, Nano-Partikel machen Kleider reißfest
- da sollte es möglich sein, Lautsprecher zu konstruieren, die man versteht, auch wenn ein Güterzug
vorbeifährt. Vielleicht lassen sich ein paar der Übersetzer umschulen, die das Angebot des Bordbistros in
elf Sprachen anpreisen. Und bloß nicht Nachhilfe bei der Münchner S-Bahn nehmen. Dort werden Fahrgäste
derart beschallt, dass man sich plötzlich das sanfte Rauschen aus Karlsruhe herbeiwünscht. Oder das
Knarzen aus Frankfurt.
Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.303, Mittwoch, den 31. Dezember 2008
> Süddeutsche Zeitung
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