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Kater Casper

(SZ) In der südenglischen Stadt Plymouth hat der Kater Casper mehrere Wochen lang die Haltestelle des örtlichen Omnibusses Nummer 3 observiert und am Schluss folgendes Resümee gezogen: Wer sich ordentlich in einer Reihe aufstellt, bekommt zu gegebener Zeit die schöne Möglichkeit, in den Bus einzusteigen und mit diesem davonzufahren. Ein Prinzip, das viele Plymouther Bürger offenbar derart schätzten, dass sie sich beinahe täglich aufreihten. Eines Morgens befand sich der schwarzweiße Kater Casper unter ihnen. Er wartete, bis der Vordermann in den Bus eingestiegen war und gewann dann selbst mit einem oder zwei Sprüngen das Businnere. Er setzte sich auf die hinterste Bank, fuhr zehn Meilen und stieg dann wieder aus. Am Abend trat er mit dem entgegengesetzt fahrenden Bus die Heimreise an. So fuhr er fort. Vier Jahre lang. Bis letzte Woche. Da wurde Casper auf dem Weg zur Bushaltestelle von einem Auto überfahren und starb.

Die Teilnahme von westeuropäischen Haustieren am öffentlichen Personennahverkehr war eher unüblich, bevor Casper in Plymouth seinen unbedingten Mobilitätswillen durchsetzte. Einen ersten, nun ja, Anlauf nahm in den neunziger Jahren das Schaf Seraphina, das als erstes Schaf der Welt eine U-Bahn betrat, begleitet von seinem Besitzer, dem Münchner Stadtrat Bernhard Fricke. Seraphina trat bei dieser Gelegenheit übrigens auch eine Diskussion darüber los, ob Schafe in der U-Bahn Beförderungsentgelt zu zahlen hätten. Und wenn nicht, müssten dann Hunde und Katzen zahlen und wenn ja: wie viel? Seraphina und Bernhard erreichten mit ihrer unterirdischen Jungfernfahrt immerhin, dass Tiere in Münchner U-Bahnen überhaupt nichts berappen müssen. Eine Errungenschaft, die dem Plymouther Kater Casper übrigens vollkommen gleichgültig war, denn Casper reiste stets ohne Billett. Er hat schon bei der ersten Fahrt keinen Cent bezahlt, und weil dies nicht beanstandet, sondern vielmehr begrüßt und beklatscht wurde, betrachtete Casper seine Anwesenheit im Bus einfach als großes Geschenk an die Menschheit, zumindest an jenen Teil, der im Raum Plymouth unterwegs ist.

"Weh weh weh unser guter Kaspar ist tot", heißt es in einem schönen Gedicht von Hans Arp. Unser guter Casper ist tot, der seine Jagdtätigkeit stets ausgeruht ausübte und dessen mobile Souveränität die Jagdpraxis der anderen Katzen in Frage stellte: "Was, du läufst noch zur Mäusewiese? Das ist heute nicht mehr Standard. Man läuft nur noch die kurze Strecke, auf der definitiv der Zugriff erfolgt." Angeblich soll Casper erzählt haben, dass er demnächst als Beifahrer, später als allein verantwortlicher Lenker des Busses verpflichtet werde. Aber bei diesen Tiergeschichten ist natürlich auch vieles Legende.

Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.20, Dienstag, den 26. Januar 2010 , Seite 1

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