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Die Frage, wohin mit den Männern, wenn sie mitteilsam werden, hat das Britische Weltreich seinerzeit beispielhaft gelöst. Die agilsten Exemplare speiste es in ein - wie man heute sagen würde - Netzwerk entlegener Kolonien ein. Dort konnten sie so viele Martinicocktails trinken, wie die brütende Hitze zuließ. Die Daheimgebliebenen versammelten sich im heimischen Club. Hier durften Männer mit ihren Ledersesseln alt werden, so viele Zigarren rauchen und so viele Martinicocktails trinken, wie in einen Winston Churchill reingehen. Somit waren die Welten von Mann und Frau ausbalanciert: Die Frauen hörten nicht, was die Männer murmelten, und die Männer konnten folglich nicht hören, wie die Frauen ihr Gemurmel fanden. Diese Einrichtung verlor ihren Zauber, als die Frauen entdeckten, dass sie dem Club nicht freiwillig fernblieben. Der Feminismus setzte zum Sturm auf das Refugium an, und 1981 entschloss sich der 'Reform Club' als erster seiner Art, weibliche Mitglieder aufzunehmen. Männer und Frauen reden nun auch im Club nicht miteinander, im Londoner 'Savage Club' allerdings nur am Dienstag und Mittwoch.

Wohin es den Mann treibt, wenn ihm der Club und damit der schützende Raum genommen wird, hat der Schriftsteller Raymond Chandler früh erkannt. In einem seiner Romane stellte er fest: Nach 20 Jahren Ehe gibt es für den Mann nur noch den Platz an der Werkbank in der Garage. Weil es aber immer schlimmer kommt, als die schlimmste Prognose voraussagt, hat der Niedergang des Britischen Empire sowie der Männerfreundschaft schlechthin mittlerweile in einer ehemaligen Strafkolonie seinen symbolischen Tiefpunkt erreicht. Aus dem Club ist ein Schuppen geworden, und der steht auch noch in der australischen Ödnis.

650 Männerschuppen mit 125000 Mitgliedern zählt der australische Verband der Männerschuppen mittlerweile, und es werden immer mehr, wie die dpa ermittelt hat. Nur im Schuppen finden ältere Männer Zeit und Raum, sich über all das auszutauschen, worüber sie eigentlich nicht reden möchten, also über das Alter, die Einsamkeit und die Prostata. Das geht, weil die Männer gemeinsam an der Werkbank stehen, mit Schmirgelpapier hantieren und Sägespäne über die Arbeitsfläche pusten, bis alles ausgesprochen ist. Männer schweigen eben lieber, als dass sie reden, es sei denn, sie wollen mal so richtig quatschen. Weil sie aber nie wissen, wann sie das eine wollen und das andere nicht, ist es am besten, sie arbeiten nebeneinander. So lange, bis die Worte fallen wie reife Früchte vom Affenbrotbaum der Erkenntnis. 'Männer reden nicht von Angesicht zu Angesicht', hat ein australischer Forscher festgestellt, 'sie reden Schulter an Schulter.' Und solange diese Schulter nicht hübsch und frei ist, so lange wird es in Australien auch keine Sexismusdebatte geben.

Glosse aus der Süddeutschen Zeitung vom Donnerstag, der 31. Januar 2013 - Seite 01 | Streiflichter

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