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SZ - Streiflichter

(SZ) Das Ungeheuer von Loch Ness hat Winterpause, der letzte Komet ist vor einer Woche an der Erde vorbeigeschrammt, die Amtszeit von George Bush geht zu Ende, und auch ein Ufo ließ sich, trotz sternklarer Nächte, hier schon lang nicht mehr blicken. Weit und breit nichts also, was uns in Angst und Schrecken versetzen könnte. Es sei denn, wir sind Kunde der Deutschen Telekom. Die offeriert uns statt Ufos immerhin ein Lifo respektive ihr Vorstandsmitglied Thomas Berlemann, das sich vom Stern nicht nachsagen lassen mag, die Telekom pflege Kundenbeschwerden systematisch in ihre elektronischen Abfalleimer zu entsorgen. Alles bloß Lifo, erklärt Berlemann nun. Unabgekürzt heißt Lifo "Last in first out", und zu Deutsch: Wenn beispielsweise ein sich übers Ohr gehauen fühlender Telekom-Kunde sechsmal versucht, sein Anliegen bei der Firma vorzutragen, bleiben lediglich die ersten fünf Anfragen unbeantwortet. Auf die sechste aber reagiert die Telekom - sagt ihr Herr Berlemann.

Angesichts einer solchen Selbstbezichtigung, mit der sich die Telekom servicemäßig als ein rechter Saftladen outet, wirkt es geradezu ruchlos, dem Unternehmen noch Ärgeres zu unterstellen. Ebendies aber tun nun nicht etwa frustrierte Telekom-Kunden, die als notorische Querulanten abzustempeln seit je zu den leichtesten Übungen der Telefongesellschaften gehört. Nein, diesmal sind es die "Service"-Mitarbeiter selbst, die ihre Callcenter-Aktivitäten zum schieren Anti-Service erklären: Von oben habe man sie angewiesen, die ( in den letzten Monaten stark gehäuften ) Kundenbeschwerden überhaupt nicht zu überprüfen, auch und erst recht nicht im Wiederholungsfall. Auch dafür hält die Service-Sprache einen hübschen Ausdruck bereit: "Systembedingter Abschluss." Was also nie geschehen sei, behaupten die aufsässigen Callcenter-Leute, werde dem lästigen Kunden aber dann per Formbrief vorgegaukelt: "Die Prüfung Ihres Anschlusses ergab, dass alle Verbindungen korrekt erfasst und berechnet wurden."

Ach ja, sagt Thomas Berlemann, das sind so unsere "Textbausteine". Der Betriebsrat der Deutschen Telekom Kunden-Service GmbH Nordwest stellte eine Infoveranstaltung für Kunden-"Betreuer" jüngst unter das Motto "Macht mogeln müssen krank?" Wissen wir nicht, aber auf jeden Fall machte es wegen Betrugs strafbar, als Bandendelikt sogar verschärft - wenn man"s beweisen könnte. Das ginge nur, falls einer auch außerhalb geschlossener Veranstaltungen den Mund aufmachte, und der flöge dann in hohem Bogen raus: First in, first out! Jede Gesellschaft hat halt den Service, mit dem sie verdient, und im Übrigen gilt weiterhin Kant: "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit", vulgo: die Kündigung seines Telefonvertrags.

Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.33, Freitag, den 08. Februar 2008 , Seite 1

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Zur Deutschen Telekom wird ja wohl keiner wollen, oder?